Auf nach England! Die englische Südküste

Passage nach England

Da der Wind nun passt, beschließen wir, von Dieppe aus nach Brighton in England überzusetzen. Das sind etwa 70 Seemeilen direkter Weg. Da unser Boot aufgrund der Muscheln und Algen, die am Rumpf hängen, gerade nicht besonders schnell ist, ist das für uns eine lange Tagesetappe. Außerdem müssen wir ein Verkehrstrennungsgebiet queren. Das ist so etwas, wie eine Autobahn für Schiffe. Es sind also Fahrspuren, in denen die Fahrrichtung vorgeschrieben ist. Der englische Kanal ist eine der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. Diese Streckenführungen machen also Sinn, damit die großen Schiffe sich nicht ständig ausweichen müssen.

Kleine Schiffe, wie unseres, halten sich von diesen Gebieten normalerweise fern. Man darf diese Spuren zwar queren, wenn man muss, aber nur mit dem Schiff rechtwinklig zur eigentlichen Fahrtrichtung. Zudem muss man sehr gut aufpassen, denn viele Schiffe sind deutlich schneller unterwegs, als wir und wenn so ein großer Frachter ein paar Meter vor oder hinter einem passiert, ist das schon ein beeindruckender Anblick. Wir haben aber Glück und es herrscht recht wenig Betrieb während unserer Durchquerung. Auch gelingt es uns, die Strömungen im englischen Kanal so zu nutzen, dass sie uns während der Durchfahrt durchs Verkehrstrennungsgebiet in die richtige Richtung treibt, und so kommen wir sicher nach Brighton.

Man sieht ein Segel und davor die britische Seeflagge und eine gelbe Quarantäneflagge.

Quarantäneflagge

Beim Erreichen der Grenze zu britischem Hoheitsgebiet, setzen wir die britische Flagge als Gastlandflagge und zusätzlich die gelbe Flagge (Q-Flagge), als Zeichen, dass wir die Grenzkontrollen noch nicht passiert haben und unser Boot nicht einklariert ist. Im Hafen heißt es also erst einmal das Boot nicht verlassen, bis der Zoll da war. Das ist dann aber viel einfacher als gedacht. Da wir uns vorher ordentlich angekündigt haben und die entsprechenden Formulare vorab per Mail geschickt haben, bekommen wir einen Anruf und kurz darauf eine Mail, dass wir nun ein Reisevisum für 6 Monate haben. Unserem Abenteuer in England steht jetzt nichts mehr im Wege.

Von Brighton nach Chichester

In Brighton halten wir uns nicht lange auf. Die Marina liegt weit außerhalb der Stadt und der Wind soll auffrischen und in eine für uns unpassende Richtung drehen, sodass wir gleich am nächsten Morgen wieder ablegen und uns auf den Weg in den Solent machen. Für ein Fazit haben wir zu wenig von der Stadt gesehen. Die Marina ist allerdings gut, mit neuen und sehr komfortablen sanitären Anlagen.

Nach einem schönen, aber zum Schluss anstrengenden Segeltag, erreichen wir kurz vor Sonnenuntergang Itchenor im Chichester Harbour. Chichester Harbour ist eigentlich kein Hafen im klassischen Sinne, sondern ein natürlicher Hafen und ein AONB (Area of natural Beauty) also ein Naturreservat. Hier gibt es eine Vielfalt von Wasservögeln und Fischen, hübsche Landschaften und windgeschützte Buchten, in denen man sich bei zu viel Wind gut verstecken kann. Das nutzen wir und machen an einer Boje in Itchenor fest. Die nächsten Tage nutzen wir für ausgedehnte Spaziergänge. Auch sehen wir gern dem sehr aktiven Segelclub bei seinen Regatten in den geschützten Gewässern zu.

Fazit: In Itchenor ist die Welt noch in Ordnung. Wer dem Stress entfliehen möchte, lange Spazierwege auf den traditionellen Fußwegen entlang der Felder und Wiesen liebt, gern die Natur beobachtet oder einfach mal ein paar Tage die Seele baumeln lassen will, der findet hier zahlreiche Plätze. Wir waren zum zweiten Mal dort und haben den Aufenthalt sehr genossen.

Von Chichester nach Portsmouth

Es ist nur ein Katzensprung bis Portsmouth. Wir wollen uns aber dort ein paar Museen anschauen. Außerdem wird es Zeit mal wieder Wäsche zu waschen, deshalb segeln wir die wenigen Seemeilen dort hin. Wir machen in der Haslar Marina in Gosport, gegenüber von Portsmouth fest. Die Fähre fährt alle 15 Minuten, man ist also schnell in Portsmouth, wenn man möchte und die Marina ist wirklich schön.

Portsmouth ist das Herz der britischen Navy und somit ein gut frequentierter Hafen.  Es gibt hier einige Museen rund um die Marine, allen voran die beiden Segelschiffe Victory und Warrior. Wir haben aber auch ein U-Bootmuseum, ein überraschend interessantes Munitionsmuseum und eine Hafenrundfahrt zum hier gerade festliegenden modernen Flugzeugträger gebucht. Britische Museen sind relativ teuer, aber auch sehr gut gemacht. Wir haben ein Kombiticket genutzt, mit dem man alle Museen vor Ort besichtigen konnte. So spart man einiges, hat dafür aber ein volles Programm.

Fazit: Portsmouth ist für alle Fans der Seefahrt ein Paradies auch über England hinaus. Die großen Segelschiffe im perfekten Zustand sind überwältigend und prägen das gesamte Flair der Stadt. Der geschichtsträchtige Ort hat viel zu bieten, vom Outlet-Center über einen modernen Aussichtsturm bis zu den vielen Museen ist eigentlich für jeden etwas dabei. Dabei behält Portsmouth aber seinen maritimen Charakter und auch der eine oder andere alte Pub ist noch zu finden.

 Von Portsmouth in die Studland Bay

Nach ein paar Tagen zieht es uns weiter die Küste entlang. Eigentlich könnte man einige Tage im Solent verbringen, denn das gilt als Segelparadies. Wir wollen aber ja irgendwann weiter bis ins Mittelmeer. Also entscheiden wir uns, direkt weiterzusegeln. Nächster Stopp ist die Studland Bay. Diese Bucht liegt vor Poole und dient vielen Seglern als Wartebucht vor der Überquerung des Ärmelkanals. Wir nutzen sie als Zwischenstopp für die Weiterreise entlang der Küste.

Seit einiger Zeit werden in der Bucht sogenannte Ecomoorings platziert. Das sind Bojen, an denen man festmachen kann, damit man nicht ankern muss. Das Besondere an diesen Bojen ist, dass sie keine festen Ketten haben, sondern Gummibänder. So verhindert man, dass die Ketten über den Boden schleifen und dort das Seegras beschädigen. Es gibt nämlich Seepferdchen in dieser Bucht und die leben in den Seegraswiesen. Das Anlegen an diesen Bojen ist kostenlos. Man kann aber eine freiwillige Spende geben, damit mehr von diesen Bojen gelegt werden können.

Von der Studland Bay nach Portland – England

Aus der Studland Bay muss man um St. Albans Head segeln, um nach Portland zu gelangen. Dort bauen sich je nach Strom und Wind heftige Wellen auf, die sehr unangenehm werden können. Auch wir haben diese Erfahrung machen müssen, konnten aber rechtzeitig eine Wende fahren, um aus dem schlimmsten Gebiet heraus zu bleiben und die Stelle dort zu queren, wo die See etwas ruhiger war. Wir hatten nur leichte Winde, deshalb war das kein großes Problem. Bei stärkerem Wind stelle ich mir das aber echt hart vor. Hinter St. Albans Head beginnt dann ein militärisches Schießgebiet. Man kann per Funk anfragen, ob man es queren darf oder umfahren muss. Wir durften ein gutes Stück hineinfahren und konnten einen guten Kurs auf Portland nehmen.

Der Hafen von Portland ist der größte künstlich errichtete Hafen der Welt und soll auch viel genutzt werden. Er besaß mal drei Einfahrten, von denen die südliche aber durch ein Wrack blockiert wird. Kleine Schiffe sollen die nördliche Einfahrt nehmen und das machen wir auch. Die Fahrtspur führt uns rund um das riesige Hafenbecken bis in die Marina. Diese Marina wurde ursprünglich für Olympia gebaut und ist dementsprechend dimensioniert. Trotzdem sind schon fast alle Gastliegeplätze besetzt, als wir ankommen. Das überrascht uns etwas, weil die meisten Segler nach Weymouth gehen sollen, weil der Hafen dort in der Stadt liegt. Trotzdem finden wir noch ein schönes Plätzchen und machen fest.

Wir machen einen Tag Segelpause und besuchen das D-Day Museum in Portland. Dieses Museum ist insofern erwähnenswert, als man alle Ausstellungsstücke berühren und die meisten sogar auch ausprobieren darf. Natürlich keine echten Schüsse abgeben, aber allein das Gewicht von Ausrüstung und Waffen zu spüren, flößt einem Respekt vor der Leistung der vielen Soldaten ein, die an diesem Tag oftmals ihr Leben verloren haben. Im Anschluss spazieren wir noch etwas durch den kleinen Ort Castletown. Für eine Umrundung der Halbinsel zu Fuß, reicht die Zeit leider nicht. Schade eigentlich, denn die Insel ist Teil des Weltnaturerbes Jurassic Coast.

Fazit: Portland hat uns mehr begeistert, als wir erwartet haben. Wir haben gedacht, dass der Hafen einfach ein Zwischenstopp auf dem Weg zur britischen Riviera sei, doch die Insel überrascht mit ihrem wildromantischen Charme. Im Hafenbecken von Portland oder auch in der ganzen Bucht kann man vielen Wassersportarten nachgehen. Auch die Insel scheint eine Erkundung wert zu sein.

Nächstes Mal geht es dann rund um Portland Bill, dem angeblich gefährlichsten Punkt im englischen Kanal.

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